Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. Mai 1808 Kronprinz Ludwig besucht Senefelder in der Werkstatt

Bayern braucht mehr Helden, davon ist Kronprinz Ludwig überzeugt. Doch ehe er jemanden erhaben und huldvoll in Stein gemeißelt auf den Sockel stellt, prüft der angehende König ganz genau: Hält der Held was her? Der erste solche Test findet in der Druckerei von Alois Senefelder statt. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 17.05.2024 | Archiv

17 Mai

Freitag, 17. Mai 2024

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Helden müssen her! Kraftdenker braucht Bayern! Kunstkoryphäen, Geistesheroen, Erfindergenies! Und ein Ehrenmal, um so viel geballte Stammesgröße gebührend zu feiern. Damit endlich alle rings umadum merken, wo das Hirnschmalz daheim ist! Doch dafür wird er schon sorgen, wenn er erst einmal König ist. Ein neues Athen wird er bauen! München wird funkeln wie nichts auf der Welt! Und mittendrin im neuhellenischen Glanz wird er dem bairischen Ingenium eine Gedenkstätte weihen!

Auf den Sockel gehoben

Aber noch ist es nicht so weit. Noch regiert der Herr Papa das frisch geschlüpfte Königreich. Noch kann Kronprinz Ludwig die kommenden Prachtekstasen nur träumerisch vorkosten. Trotzdem kann es nichts schaden, zeitig zu sichten, wer das Zeug zur Marmorbüste hat. Und da führt anno 1808 absolut kein Weg an Alois Senefelder vorbei.

Der ist zwar Franke, hat aber unlängst die Kunst erfunden, mit Hilfe chemisch präparierter Kalksteinplatten besser, billiger, schneller zu drucken als es bisher denkbar war. Die Lithographie, wie der Steindruck vornehm heißt, machen sie jetzt überall nach. Darum ist Senefelder ein Kopf ganz nach Ludwigs Geschmack. Einer, der Bayern leuchten und strahlen lässt. Einer, der zeigt, wo der Bartl den Most holt. Und weil Senefelders Atelier praktisch ums Eck in München liegt und der Kronprinz mit dem Berühmtheitensammeln langsam loslegen will, beehrt er den Innovator am 17. Mai 1808 mit einer Werkstattvisite.

Royaler Werkstattbesuch

Der Besuch in Begleitung seiner Schwester Charlotte und etlicher Personen von Stand ist ein voller Erfolg. Während die Herren verständige "Ah!"- und "Oh!"-Gesichter machen und die Damen ängstlich darauf achten, sich möglichst berührungsfrei an farbstrotzenden Tiegeln und Walzen vorbeizuschieben, erläutert Senefelder das Geheimnis des Steindrucks. Zuletzt verklärt Prinz Ludwig die Weihestunde des Fortschritts mit der Erkenntnis, "dass die chemische Druckerei dem Jahrhundert alle Ehre erbringt, in dem sie entstand". Und auch Charlotte zeigt sich im Ausruf "ich ehre die Bayern!" dem Anspruch des Augenblicks völlig gewachsen.

"Das ist groß! Das muss verewigt und vervielfältigt werden", applaudiert das Hofgefolge. Die Hoheiten sträuben sich anfangs bescheiden, fügen sich aber dann doch ihrer Verantwortung gegen die Nachwelt. Beide bringen dero denkwürdige Worte mittels chemischer Tinte zu Papier, worauf Senefelder sie auf den Druckstein überträgt und etliche Male reproduziert. Bayerns künftiger König ist von dieser Fortschrittsgroßtat derart angetan, dass er noch an Ort und Stelle verfügt, das Konterfei des um Vaterland und Menschheit verdienten Mannes fürs erste als Gipsbüste zu sichern. Dereinst möge es dann, in Stein gehauen, einen Platz mit Bayerns größten Künstlern und Denkern in Ludwigs Ruhmeshalle finden.

So ist es auch wirklich gekommen. Mehr als 40 Jahre danach lässt König Ludwig I. Senefelders Marmorportrait im zugigen Ehrentempel über der Theresienwiese aufstellen. Aber da ist der Erfinder, dem alles Geschäftliche stets heillos zwischen den Fingern zerrann, längst bettelarm und hoch verschuldet verstorben.


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